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Kissing und sein berühmter und umstrittener Held, der „deutsche Robin Hood“

Autor: PD Dr. habil. Peter L. Münch-Heubner

Karte HiaslwanderwegWer von Kissing aus den Jesuitenweg in Richtung Norden geht, im Ortsteil Mergenthau nach rechts abbiegt, erreicht nach den Pferdekoppeln kurz vor dem Gut Mergenthau, am Beginn des Waldes und am Fuße einer Anhöhe, eine Wegekreuzung. Während der Weg halblinks, nach Nordosten gleich direkt zum Gut führt, kann der Wanderer in die andere Richtung halbrechts noch einen kleinen, lohnenden Umweg machen. In südöstliche Richtung weisend, lockt ihn ein anderer Weg in den Wald. Es ist der „Hiaslweg“.

Der Wald hier kann Geschichten erzählen, sehr schaurige mitunter. Hier und in anderen Wäldern, auch westlich des Lechs, findet man jene Orte, von denen aus der alte Ausspruch „Im Wald, da sind die Räuber“ seinen Weg in den Volksmund fand[1].

Wer heute den „Hiaslweg“ entlanggeht, der kann in Ruhe hier die Natur genießen. Vor etwas mehr als zweihundert Jahren hatte der Reisende nur wenig Muße zum Naturgenuss, denn da konnte ein solches Naturerlebnis gefährlich werden. „Hiaslweg“, der Name erinnert an einen der bekanntesten, aber auch umstrittensten Söhne Kissings, den „Bayerischen Hiasl“. Für die einen ist er ein Held und Helfer der Armen, für die anderen nur ein Gesetzloser und Verbrecher. Moritaten und Loblieder gibt es viele über ihn. Seit 1997 gibt es in Kissing den „Hiasl-Verein“.

HiasldenkmalDes Räubers und Wilderers enorm große Nase begrüßt den Betrachter auch vor der alten Schule in der Bachernstraße. 1986 wurde vor dem historischen alten Schulgebäude das „Hiasldenkmal“ errichtet. In diesem Jahr feierte man in Kissing den 250. Geburtstag des „Wildererkönigs“, der, so erzählt man, geschossenes Wild an die Bauern verteilt haben soll Die "Alte Schule" mit dem Hiasldenkmalund auch einmal eine Amtsstube stürmte, und die dort erbeuteten Steuergelder unter den Bedürftigen verteilte. 1986 gab die Gemeinde anlässlich des runden Geburtstags des „Wildschützen“ auch das Buch „Der Bayrische Hiasl als heimatgeschichtliche, volkstümliche und literarische Gestalt: Ein Signal seiner Zeit – ein Signum unserer Heimar“ heraus. Verfasser der biographischen und historischen Betrachtung war Waldemar Nowey.  2003 wurde sein Buch in der dritten Auflage wieder veröffentlicht.

Nowey, ein promovierter Pädagoge und Bildungswissenschaftler aus Mering, hat sich mit schwäbischen, landesgeschichtlichen Themen – wie etwa mit der Geschichte seines Heimatortes – ausgiebig beschäftigt. Er hat viele Schriften dazu veröffentlicht und für sein Engagement für die tschechisch-deutsche Aussöhnung 1994 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Er selbst ist sudetendeutscher Herkunft und hat sich auch am Aufbau der „Euregio Egrensis“ beteiligt[2].

Besonders die Lebensgeschichte des Hiasl hat es ihm angetan. [3] Auch zu dem 1983 von der Gemeinde Kissing herausgegebenen Heimatbuch über „Kissing – Geschichte und Gegenwart“ hat er einen Beitrag beigesteuert.[4]

Auch wenn der Hiasl wie ein bayerischer Robin Hood erscheint, so gibt es doch entscheidende Unterschiede zwischen beiden Figuren. Der wichtigste von ihnen ist: Robin Hood ist eine Sagen-, Balladen- und Romanfigur, deren historische Existenz nicht belegbar ist. Den Bayerischen Hiasl aber hat es sehr wohl gegeben. Die Grundlinien seines Lebens lassen sich erkennen. Vieles ist aber auch auf mythische Verklärung zurückzuführen. Der Hiasl ist eine von vielen Räuber- und Wildererfiguren, deren Lebensbeschreibungen oft im Nachhinein an wichtigen Stellen an die Legende von Robin Hood angeglichen wurden. Fast in jedem Wildererleben findet sich so die Robin Hood – Stereotype vom gerechten Helfer der Armen, der die Reichen bestahl, um die Beute an die Armen zu geben. Die Geschichte des Hiasl selbst wiederum ist zum Ausgangspunkt für die Ausgestaltung vieler anderer Wilderer-Legenden geworden, im Rahmen derer Anleihen beim damaligen Geschehen in und um Kissing genommen wurden.

Die Karriere des Wilderers endete am 6. September 1771 mit seiner Hinrichtung in Dillingen. Zuvor hatte es einer militärischen Großoffensive benötigt, um die Gruppe um den „Mattheus Clostermayr“, wie der „Rebell“ aus Kissing mit Taufnahmen eigentlich hieß, zu besiegen. [5] Im Januar 1771 hatte der „Premier-Lieutnant“ des Fürstbischofs von Augsburg den Hiasl und seine Bande in einem Wirtshaus in Osterzell gestellt – und gefangengenommen. Für die Richter, die in Dillingen das Todesurteil über den Wilderer und seine Kumpane aussprachen, waren alle Verurteilten nur Verbrecher. Nichtsdestotrotz sah man sich dazu veranlasst, die Hinrichtung am 6. September zu einem besonders grausamen Spektakel auszugestalten.   So wurden mehrere Hinrichtungsformen hinter- und nebeneinander vollzogen. Der Delinquent wurde  „mit dem Rad … vom Leben zum Tode gerichtet“, dem bereits Gehenkten wurde dann noch der Kopf abgeschlagen, der Körper zuletzt „in vier Stücke zerhauen.“ Die Leichenteile sollten „auf den Landstraßen aufgehangen“ werden, „Anderen zum abscheuenden Beyspiel“ dienend[6].  Dies zeigte, dass die Hinrichtungen des Hiasl und seiner Leute nicht  Bestrafung allein sein sollten, sondern eine deutliche Warnung der Obrigkeit an die unruhig gewordenen Untertanen darstellten.

Nicht alle Verurteilten wurden indes hingerichtet. Einige konnten ihrem Urteil entkommen, wovon Waldemar Nowey zu berichten weiß. „Dillinger Studenten“ sollen sie befreit haben[7]. Diese Studenten waren nicht irgendwelche Studenten, sie gehörten der katholisch-theologischen Universität, der „hohen Schule der theologischen Ausbildung“ in Dillingen an.[8]

Die Wächter der Obrigkeit versuchten, den Befreiten, die auf Streckbriefen gesucht werden, nachzueilen und sie festzunehmen, doch sie holten sie nicht ein. Zu sehr konnten sich die Leute des Hiasl, so die Erzählung, auf Hilfe aus der Bevölkerung verlassen. Auf Bauernhöfen fanden sie überall auf ihrem Fluchtweg Unterschlupf. Überall wurde ihnen dort geholfen, wurden sie von den Kleinbauern, die noch unter dem Joch der Feudalherrschaft litten, mit Nahrung versorgt. So gelang ihnen die Flucht über die Alpen, wo sich ihre Spuren dann in Italien verlieren. Entkommen konnten Angehörige der Hiasl-Bande, doch vieles darüber hinaus berichtet heute die Legende.

Waldemar Nowey schreibt über diesen Prozess der Vermischung von Wahrheit und Dichtung in der historischen Erinnerung an den Wilderer: „Sage, Legende der volkstümlichen Überlieferung, die oft sogar mit amtlichen Protokollen im Widerspruch stehen,vermischen sich im Volk mit der Wahrheit, was immer auch das sei.“  Der Autor sieht hier  „psychologisch – historische Phänomene“ am Wirken.[9]

Geschichte und Erzählung offenbaren deutliche Unterschiede in der Haltung  der Geistlichkeit zur Gestalt des Wilddiebes. Die Dillinger Studenten stellten sich mit ihrer Rebellion – wenn sie denn die Befreier der Räuber gewesen sind - immerhin gegen die Autorität ihres Fürstbischofs in Augsburg.

In Kissing selbst waren große Teile der Bevölkerung, darunter auch der, von den Jesuiten eingesetzte „Patrimonialrichter Schwarz und der Pfarrvikar Wolf … ihrem Wildschützen wohlgesonnen.“ Selbst der Ortspfarrer teilte nicht die Verachtung des Fürstbischofs für den „Verbrecher“. Der Hiasl „bekämpfte“ mit seiner Wilderei „die Wildplage“, die vor allen Dingen den Kleinbauern zu dieser Zeit zu schaffen machte.[10]

Es schien damals ein Verhältnis zwischen Bauern und Wilderern vorzuherrschen, das auf Gegenseitigkeit beruhte: Die Wilderer ließen den Bauern einen Teil ihrer Jagdbeute zukommen, im Gegenzug warnten die Bauern die Wildschützen im Gefahrenfall. Wurde einmal ein Wilderer vom Hunger getrieben, wurde er von den Landleuten versorgt. Was bei Robin Hood noch literarische Fiktion war, schien im Sherwood Forest von Kissing Realität geworden zu sein. So zumindest will es die Legende sehen.

Doch  wurden hier mitunter Fiktion und Fakten miteinander vermischt. Die Wildschützen waren ein Phänomen der damaligen Zeit. Ebenso prägnant war auch die Bewunderung weiter Teile der Bevölkerung für diese eigentlich ´Gesetzlosen´. Doch, was waren darüber hinaus die Hintergründe dieser bemerkenswerten Solidargemeinschaft?

Die „Heroisierung der Wildschützen durch das Volk hat eine historische Wurzel“, so erklärt Waldemar Nowey das Phänomen des zum „Volkshelden“ [11] avancierten frühmodernen ´Aussteigers´.

Nur den Grundherrn – den weltlichen wie den geistlichen – war zu jener Zeit die Jagd erlaubt. Für die Feudalherrn war die Jagd eine Art von Vergnügen und Zeitvertreib. Die Funktion der Beschaffung von Nahrung erfüllte sie für sie nicht. Von der Frühzeit an aber jagte der Mensch zuerst, um sich ernähren zu können. Die Bauern hätten das zur Zeit des Hiasl auch gern gemacht, doch es war ihnen verboten. So schaute der Bauer auf seine Felder, sah am Morgen die Spuren, die das Wild – das es damals noch in hoher Zahl gab und das in seinem Bestand nicht wie heute gefährdet war – dort hinterlassen hatte, und durfte nichts dagegen tun. Im Wald versteckten sich mit dem Wild auch jene Nahrungsquellen, die die Bauernfamilien zum Überleben bitter benötigt hätten. Das Gesetz schloss die Bauern aus.

Dieses Gesetz war zu jener Zeit noch keines, das auf einem Willen basierte, der ´vom Volk ausgeht´. Es war das Gesetz der Landesfürsten und Grundherrn. Ein vom Volk gewähltes Parlament, das Gesetze im Namen des Volkes verabschiedet, wird in Mitteleuropa erst das Zeitalter der Französischen Revolution mit sich bringen. Einer, der mit  diesem Fürstengesetz brach, war damals aus der Sicht der rechtlosen Untertanen keiner, der eine Rechtsgemeinschaft verlassen hatte, die auf dem Willen aller beruhte. Das Fürstengesetz wurde oft als Feudallast empfunden, das Benachteiligungen schuf. Wie Waldermar Nowey dazu richtig bemerkt, war somit die Wilderei aus der Sicht der ´Untertanen´ der Grundherrn „nicht unehrenhaft.“[12]

Eine regelrechte „Räuberbegeisterung“ „veredelte“ damals „auch den Bayerischen Hiasl zum ´gerechten Verbrecher´“, machte diesen zum Idol der „Bauern“, die sich „in ihrer politischen Passivität vielfach mit ihm ´identifizierten.´“[13]

Im Jahr 1771, als die Dillinger Studenten die Hiasl-Begleiter befreit haben sollen, stand ganz Europa vor einer historischen Zeitenwende. Und deren Vorzeichen waren im Denken der Menschen und in ihrem Handeln erkennbar. Der Untertan wollte jetzt Bürger werden. Die Gedanken kamen auch aus Frankreich herüber. Nur achtzehn Jahre nach der Befreiung der Hiasl- Kumpane in Dillingen leitet in Paris der Sturm auf die Bastille die Französische Revolution ein. Das Gefängnis der Bastille war für viele Pariser zu einem ungeliebten Symbol der absolutistischen Herrschaft des französischen Königs geworden. Im direkten historischen Vergleich war der Dillinger Angriff auf die absolutistische Autorität für sich allein genommen das eigentlich imposantere Ereignis. Obwohl als Beginn der Französischen Revolution glorifiziert, war die Eroberung der Bastille durch die revolutionären Pariser Massen nur ein Vorkommnis unter vielen in diesen Tagen, zudem ein eher beiläufiges und vor allen Dingen: ein Irrtum. Die aufgebrachten Demonstranten mussten die Bastille nicht stürmen, ihr Kommandant hatte sie ihnen freiwillig übergeben. Viel zu verteidigen hatte er nicht. Denn dort, wo inhaftierte politische Gefangene, „Häftlinge des Absolutismus“ in großer Zahl vermutet worden waren, befreite man lediglich „fünf Schwerverbrecher und zwei Geistesgestörte“. Die Gegner des Königs saßen anderswo ein. Was dann folgte, war ein „makabres Gemetzel“, „Mißverständnisse“ reihten sich aneinander und das gegenseitige „Töten“ wollte schließlich nicht mehr aufhören. Auch so können Nationalfeiertage entstehen.[14].

Doch die Ereignisse in Paris und Dillingen stehen in gleicher Weise für die gesellschaftlichen Umbrüche jener Zeit und für die sozialen Missstände damals, die die einen zu Wilderern und die anderen zu Revolutionären machten.

Waldemar Nowey bezeichnet die Wilderer als die „kleinen Revolutionäre“ jener Tage, die in ihrer Weise „gegen die erstarrten Gesellschaftsformen“ vorgingen und damit ein Phänomen der Zeit „vor der Französischen Revolution“ gewesen sind. „Freisinnige Ideen“, die mit der „Aufklärung“ auch in Schwaben und hier „beim niedrigen Volk“ Anklang gefunden hatten, fanden so ihre „freiheitliche Ausdrucksform“ in der Glorifizierung des freien Wildererlebens „im Wald.“ [15]

Doch:  Haben das Wilderer selbst genauso gesehen?

„Ob er letztlich ein verbrecherischer Räuberhauptmann oder ein früher Vorkämpfer für die in der Französischen Revolution erkämpften Freiheits- und Menschenrechte war, mag hier dahingestellt bleiben“, schreibt Adelheid Hoechstetter-Müller in ihrem Kommentar zu den Ausführungen des Matthias Graf zum Fall des Hiasl. Graf hatte in seiner „lokalhistorischen Studie“ über die „Hofmark Kissing“ 1894 zwar den Hiasl als einen Mann beschrieben, der ein „Verbrecherleben“ geführt hatte, ihn jedoch auch als einen „unglücklichen Menschen“ angesehen, der unter anderen Umständen durchaus „in redlicher und ehrlicher Arbeit“ hätte „sein“ können.[16]

Mattias Graf, mehr als hundert Jahre nach den Geschehnisse um den Bayrischen Hiasl Vikar in Kissing, vereinigte in seiner Sichtweise die beiden unterschiedlichen Standpunkte des Katholischen Klerus – des niederen wie des hohen - im Bistum Augsburg zur Figur des Wilderers.

In vorrevolutionärer Zeit waren – in Schwaben wie in Frankreich – Vertreter der niederen Geistlichkeit – viele Landpfarrer zudem – zu Anwälten der unteren Schichten geworden. In Frankreich reihten sich diese in der Ständeversammlung demonstrativ  in den „Dritten Stand“ der Bürger und Bauern ein und nicht in den ersten, der der Hohen Geistlichkeit vorbehalten war. Nach der Revolution wird sich der Klerus offen in zwei Lager spalten. Schon vor der Revolution hatten sich in Frankreich jene ´Koalitionen´ und gesellschaftlichen Trennlinien herausgebildet, entlang derer sich auch im Schwäbischen und Bayerischen die Geister an der Person des Hiasl scheiden.

Wichtige Träger der Französischen Revolution waren die Bauern, die unter den Feudallasten und unter Armut litten. In den Wäldern Frankreichs streunten die „Vagabunden“ umher, Obdachlose und Wilderer, die sich ihre Nahrung selbst beschaffen mussten. In manchen Gegenden des Landes machten die „Vagabunden“ fast zehn Prozent der Bevölkerung aus. Die Wälder waren hier zum Rückzugsgebiet für eine ganze Bevölkerungsgruppe der sozial Degradierten geworden.[17] Es war kaum ein Wunder, dass der Wald in dieser Zeit nicht nur viel bevölkert war, sondern auch zum Mythos aufstieg, zu einem Ort der Freiheit, der ein Entkommen aus dem sozialen Elend versprach. Mythos und Wahrheit liegen bzw. lagen hier – wie so oft in der Geschichte – nah beieinander.

Niemand geringerer als der französische Schriftsteller Victor Hugo hat sich mit dem Mythos Wald und mit dem des Helden, des ´Herrn´ des Waldes und des Widerstands auseinandergesetzt. Er schildert das Jahr 1793, die Revolution befand sich in ihrem fünften Jahr. Die Vorzeichen des Mythos hatten sich in vieler Hinsicht geändert. Doch in den Wäldern, da waren eben immer noch die „Räuber“. Er schreibt so über die damaligen Zustände in der  Bretagne:

„Es gab damals in der Bretagne sieben grauenvolle Wälder. Der Vendéekrieg ist der Priesteraufruhr gewesen, und der Wald hat ihm Vorschub geleistet, Finsternis im Bund mit Finsternis.“

Und da ist er, der „Herr der sieben Wälder“, da ist “jener Capet der Räuber und souveräne Herr in Maine und Normandie“. [18] Nicht von Ungefähr erinnert dieser ´Räuber-Souverän´ an den „Fürst der Wälder“ aus Kissing, von dem Waldemar Nowey spricht. [19] Doch haben diese beiden „Räuber“ sich selbst je in den Stand eines Herrschers der Wälder erhoben? Capet war Adeliger, da lassen andere Legenden grüßen. Doch die bayerischen Fürsten der Wälder waren andere Wege gegangen.

Es ist die Wahrnehmung durch das Volk, durch die Zeitgenossen, durch deren Brille hindurch wir heute die Legendengestalten von damals zu einem großen Teil betrachten. „Das achtzehnte Jahrhundert war“, wie Waldemar Nowey schreibt, „bei aller fürstlichen, kirchlichen und künstlichen Prachtentfaltung, eben auch das Jahrhundert der Landstreicher und Räuber“ - und dies nicht nur in Süddeutschland. Und es waren „die Belange der einfachen Leute“ die „vernachlässigt und verdrängt“ wurden.[20] Die Figur des Hiasl wurde so auch zu einer Projektionsfläche für die Hoffnungen der Benachteiligten,

War der Hiasl ein Kämpfer für die Ideale der Französischen Revolution, einer, der „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ in der Gesellschaft erreichen wollte? Von diesen Idealen überzeugt waren diejenigen, die damals und in der Folgezeit über ihn geschrieben haben. Der Lebenslauf des Hiasl lässt kaum vermuten, dass er die Philosophen der Aufklärung, dass er Voltaire, Rousseau oder Montesquieu und deren Schriften wirklich kannte. „Schon als zwölfjähriger Bub half er auf dem Landgut Mergenthau, welches den Jesuiten gehörte. Daheim musste er das Vieh hüten und im Winter am Spinnrad arbeiten. Beim Seheransenbauern Baumiller diente er dann als Knecht bis in sein 25. Lebensjahr“.[21]

Doch auch die Bauern, die 1789 in Frankreich die Schlösser der Adeligen stürmten, hatten die wichtigsten Werke der Aufklärung kaum gelesen. Das soziale Elend trieb sie in die Revolution.

So war „das Leben und Wirken des Bayerischen Hiasls … bezeichnend für das Sozialverhalten einer längst vergangenen Zeit“ -

und vor allen Dingen für die Wahrnehmung des Anführers einer „gerechten Räuberbande“ durch viele Zeitgenossen, die gerne selbst so gewesen wären, wie der Hiasl in ihren Augen es war. Schon die ersten Aufzeichnungen über dieses Räuberleben und dessen Geschichte waren gekennzeichnet von „Überzeichnungen“ und „Verzeichnungen“.[22] Dies um so mehr, da der Volksheld zur zentralen Figur vieler Romane, Theaterstücke und Volkslieder wurde. „Angeblich soll er“, so eine weit verbreitete Vermutung, „Friedrich Schiller als Vorbild für Karl Moor in seinem Schauspiel ´Die Räuber´ gedient haben.“[23]

 

Doch was an der Gestalt des Hiasl war und ist historisch und was ist Fiktion? Was war Selbststilisierung, was Fremdstilisierung?

 

Weitergehende Informationen:

Der Hiasl, sein Leben, seine Legende: Fakten, Selbstinszenierung, Fremdstilisierung

Robin Hood - das Vorbild aller Legenden

Der Kissinger Hiasl und seine Erben

Robin Hood in den Alpen -  Hiasl in den Alpen?

Zwischen Mythologisierung und Verteufelung

Robin Hiasl - Hood an anderen Ende der Welt. Von Kissing in den australischen Busch

 

Verwendete und weiterführende Literatur


[1]Drexler, Toni: Im Wald da sind die Räuber: Kneißl, Hiasl & Co.. Räuberromantik und Realität (Begleittext zur

Ausstellung im Bauernhofmuseum Jexhof, 22.2.-31.10.2002), Schöngeising 2002.

[2]Entlang der deutsch-tschechischen Grenze gibt es viele dieser „Euregios“, bzw. Euro/Europa-Regionen. Sie sind informelle Einrichtungen, auf deren Basis Gemeinden und Regierungsbezirke auf deutscher und tschechischer Kooperationsprojekte im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich fördern. Siehe: Münch-Heubner, Peter L.: Bayern, Tschechen und Sudetendeutsche: Vom Gegeneinander zum Miteinander, Aktuelle Analysen, Bd. 63, München 2015, S. 96ff.

[3]Zur Biografie von Waldemar Nowey siehe u.a.: Verwaltungsgemeinschaft Mering: Bekannte Bürger. Dr. phil. Waldemar Nowey.

[4]Nowey, Waldemar: Der Bayrische Hiasl. Eine heimatgeschichtliche, volkstümliche und literarische Gestalt, in: Gemeinde Kissing (Hg.): Kissing. Geschichte und Gegenwart, Kissing 1983, S. 166-175.

[5]Siehe: Nowey, Waldemar: Der Bayerische Hiasl als heimatgeschichtliche, volkstümliche und literarische Gestalt, Kissing 2003, Dokument, hier Taufnachweis auf S. 15.

[6]Siehe dazu das „Urtheil“, abgedruckt bei Nowey, 2003, S. 54f.

[7]Nowey, Waldemar, Der Bayrische Hiasl, 1983, S. 170.

[8]Zur Geschichte der Einrichtung siehe die Internetpublikation: Akademie für Lehrerfortbildung, Dillingen: Geschichte der Akademie. Die Universität, 1549 bis 1773.

[9]Nowey, Waldemar, 2003, S. 54.

[10]Nowey, Waldemar, 1983, S. 166f., S. 170.

[11]Nowey, Waldemar, 1983, S. 168.

[12]Nowey, Waldemar, 1983, S. 170.

[13]Nowey, Waldemar, 2003, S. 50.

[14] Weis, Eberhard: Der Durchbruch des Bürgertums. 1776-1847. Propyläen Geschichte Europas, Band 4,    Frankfurt/M. - Berlin – Wien 1982, S. 117.

[15]Nowey, Waldemar, 1983, S. 170.

[16]Geschichte der Hofmark Kissing an der Paar. Eine lokalhistorische Studie von Matthias Graf, 1894, neu bearbeitet und herausgegeben von Adelheid Hoechstetter-Müller, Augsburg 2008, S. 239 u. S. 241,

[17]Vgl. Weis, Eberhard: Der Durchbruch des Bürgertums, Propyläen Weltgeschichte , Bd. 4, München 1982, Seite 88.

[18]Victor Hugo:  1793. Dritther Theil. In der Vendée; Im Internet: Spiegel Kultur. Projekt Gutenberg.de,  hier Kapitel 9 im Text.

[19]Nowey, Waldemar, 1983, S. 172.

[20]Nowey, Waldemar, 1983, S. 174.

[21]Nowey, Waldemar, 1983, S. 166.

[22]Nowey, Waldemar, 1983, S. 174, S.  168, S. 173f.

[23]Gemeinde Kissing: Der Bayerische Hiasl, http://www.kissing.de/kultur/...

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